
26.11.23 Wir wechseln nicht nur das Land sondern auch die Sprache. Adios Paraguay bem-vindo ao Brasil! Es ist Sonntag und wie man uns gesagt hat, der beste Tag für den Grenzübergang von Ciudad del Este nach Foz de Iguaçu. Denn Sonntags sind die Geschäfte zu und der Shoppingtourismus ruht. Wir fahren gemütlich über die Freundschaftsbrücke über den Rio Paraná bis zur Migrationsstelle nach Brasilien. Bis jetzt läuft alles wie geschmiert. Kein Verkehr und vor dem Zollhaus sozusagen keine Menschen. Da wir uns schon auf etwas längere Wartezeiten eingestellt hatten, nehmen wir uns Zeit. Der Zöllner schaut sich kurz unsere Papiere an, stempelt unsere Pässe ab und wünscht uns eine gute Reise. Das ging jetzt aber ganz schön zackig. Hmmm da fehlen doch noch die Einfuhrpapiere für unsere Motorräder? Wir versuchen wie immer den QR Code einzuscannen und die Seite mit der Einfuhr zu öffnen. Doch leider passiert nichts. Da in Brasilien die Policia Federal dafür zuständig ist, fragen wir den netten Polizei-Beamten, wie denn das mit der Einfuhr der Motorräder funktioniere. Er winkt ab und sagt, wenn ihr den Stempel im Pass habt, könnt ihr fahren. Na gut, wenn das so einfach geht, nehmen wir das Angebot an. Wir sind in Brasilien und der Grenzübergang ging keine zwei Minuten. Das ist bis jetzt die absolute Rekordzeit! Wir sind happy und freuen uns schon auf die Iguaçu Wasserfälle, welche nur wenige Kilometer entfernt liegen. Der Eco Parque Iguaçu bietet Zimmer und Camping an. Also steuern wir diesen an, welcher mitten im Naturpark liegt. Es fühlt sich jetzt schon an wie im Regenwald. Der junge Mann an der Rezeption bestätigt uns das auch schon und meint, wir sollen lieber ein Zimmer nehmen. Sie hätten dieses Jahr schon drei Notfälle gehabt wegen Giftschlangen und Skorpionen. OK, wir entscheiden und für das Zimmer. Und da wir so viel Zeit an der Grenze eingespart haben, machen wir uns zu Fuss auf den Weg zu den Wasserfällen "Cataratas do Iguaçu"!


Vorher - trocken
Ankunft bei den Wasserfällen

nach dem "Garganta del Diablo" - nass
Der Teufelsschlund, 150 Meter breit mit einer 700 Meter tiefen Schlucht




Die Cataratas do Iguaçu bestehen aus 20 grossen und 255 kleinen Wasserfällen. Der Park ist ca. 2,7 km lang und wir laufen zwei Stunden auf kleinen Wegen den Wasserfällen entlang. Die Wasserfälle sind atemberaubend schön und es herrscht eine hohe Luftfeuchtigkeit, praktisch 100%. Beim Teufelsschlund kann man dem Wasser nicht mehr ausweichen. Es fühlt sich wie ein Nieselregen an. Wir laufen über eine Brücke, welche direkt zum "Garganta del Diablo" führt. Es ist unglaublich laut, die Wassermengen werden regelrecht in den Schlund runtergeschleudert. Der Teufelsschlund ist 700 Meter hoch und man spürt die Kraft des Wasser in jeder Zelle. Tropfnass versuchen wir einen kleinen Unterschlupf zu finden. Es ist einfach herrlich und sooo gigantisch gross - unglaublich! Durch die Erosionen, welche der Abholzung des Regenwaldes geschuldet sind, transportiert der Fluss bei erhöhtem Wasserstand grosse Sedimentmengen und das Wasser verfärbt sich daher braun. Vor zwei Monaten gab es hier Hochwasser und der Park wurde sogar für eine Zeit lang geschlossen. Die Wassermengen stiegen um ein Vielfaches.
Der Parque das Aves ist einen Besuch wert. Er ist der grösste Vogelpark Latainamerikas und liegt auf dem Rückweg zu unserer Unterkunft.









Unsere Idee ist es, Südbrasilien zu durchfahren und zwar die Regionen Paraná, Santa Catarina und Rio Grande do Sul. Das Wetter ist nicht gerade prickelnd und nach unserem Besuch der Wasserfälle fängt es an zu regnen. Der Regen wird uns ein Weilchen begleiten, was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen. Nun ja, das gehört wohl zum Abenteuer mit dazu. Doch Brasilien ist ja eigentlich als das Land der Sonne bekannt. Diese werden wir nur sehr selten zu Gesicht bekommen. Wir fahren Richtung Südosten auf einer Hauptverkehrsachse, überholen gefühlte tausende von LKW's und der Regen setzt immer stärker ein. Schlussendlich wird es eine Wasserfahrt. Den ganzen lieben Tag lang kommt das Wasser von oben, von unten, von der Seite, von überall her...
Schliesslich landen wir in einem kleine Kaff und die Leute fragen sich, was wir denn hier verloren haben hmm das fragen wir uns auch! Die Zimmersuche gestaltet sich einfach, da die Auswahl sehr mickrig ist. Irgendwie müssen wir die Kleider trocken kriegen. Morgen wollen wir hier nämlich weg, definitiv! Die Rezeption schaut ok aus... das Zimmer ist eigentlich eine Zelle. Uns fehlen nur noch die weiss-schwarz gestreiften Sträflingsanzüge...

Zelle 28
Unser Kleidertrockner

uuuuuuuhhhh
Bei nassen Schuhen am nächsten Morgen...

New Collection!
...gibts Plastiksäcke für trockene Füsse!
Der nächste morgen sorgt nicht wirklich für trockene Kleidung, auch die Schuhe sind noch feucht. Also ab mit den Füssen in Plastiksäcke, und dann in die Schuhe. Das Frühstück lässt zu Wünschen übrig. Kaffee und ab gehts. Unser Tagesziel ist Treze Tilias "13 Linden". Ein Tiroler Dorf mitten in Brasilien! Der heutige Regenfahrtag ist nicht besser als der gestrige. Wir kommen, von unten bis oben, nass und zusätzlich rot eingefärbt vom Lehmigen Boden an. Dementsprechend sehen unsere Motorräder Barana und Wanda aus. Die Handschuhe und Socken kann man auswinden. Bei der ersten Unterkunft scheint niemand da zu sein. Also nehmen wir die neben an. Eine kleine hübsche Pension. Ob das in unser Budget passt? Denn die Zelle 28 von gestern hat uns sage und schreibe 40 US Dollar gekostet. Und siehe da, das Universum meint es gut mit uns. Wir bekommen ein top modernes Appartement mit Küche, Schlafzimmer, Wohnzimmer, Bad und zwei Balkonen für 40 US Dollar inkl. Tiroler Frühstück im Hotel ums Eck!!! Hoffentlich verirren wir uns nicht in der Wohnung. Wir fragen zweimal nach, ob denn dieser Preis auch stimmt. YES! Jackpot! Hier bleiben wir, bis der Regen vorübergeht und schauen uns mal im Dorf um. Der Besitzer spricht sogar etwas Deutsch und seinen Eltern gehört das "Dreizehnlinden" Hotel, in dem es ein grandioses Frühstück wie im Schlaraffenland gibt! Das ist in Südamerika nicht leicht zu finden! Es gibt Eier, Kuchen, sogar Apfelstrudel, diverse frischgepresste Säfte wie Kokos, Mango, Orange etc. Käse, Rauchschinken, Früchte, Kaffee, Butter, Marmelade und Honig. Wir haben in dieser Aufzählung mindestens zehn Köstlichkeiten vergessen.
Da wir müde sind und dringend eine warme Dusche mit Druck ansteht, empfehlen uns die Gastgeber ein Tiroler Restaurant. Das Beste in Treze Tilias, das Restaurant Edelweiss - mit eigener Bierbrauerei "Bierbaum". Das lassen wir uns nicht entgehen, das wird ein Festmahl!



Wir trauen unseren Augen nicht, als wir die Speise- und Getränkekarte lesen! Es ist der Hammer! Wir trinken Schwarzbier und essen Spätzle mit Sauerbraten! Am nächsten Morgen, frisch und ausgeschlafen erkunden wir das Tiroler Dorf "Dreizehnlinden" auf portugiesisch "Treze Tilias". Das Dorf wurde 1933 vom Tiroler Andreas Thaler gegründet und heute spricht, vor allem die ältere Generation, noch deutsch. Die Tiroler Traditionen und die Kultur werden hier grossgeschrieben und bewahrt. Es ist auch bekannt für die grosse zahl der Bildhauer. Wir bekamen beim Frühstück sogar ein Ständchen vom Besitzer Conrad auf dem Alphorn. Unglaublich, wie im Film!




barrigometro (BAuchmesser)
"extremamente sexy"

Im Lindenhof
Gasthof mit Tiroler Musik

Andreas Thaler
Gründer von Dreizehnlinden

Miniaturland
Unglaublich aber war, das ist Treze Tilias in Miniatur
So, nun widmen wir uns wieder unseren Motorrädern. Denn uns zieht es weiter östlich in höheres Gefilde. Wir möchten endlich wieder Kurven fahren und haben von schönen Strecken bei Rio Rufino und Urubici in Santa Catarina gehört. Die Serra do Rio do Rastro und Serra do Corvo Branco sollen wunderschön zum Fahren sein. Davor werden aber Wanda und Barana auf Vordermann gebracht und einer Wäsche unterzogen.


Endlich kommen wir auf kleinere Strassen. Der LKW Verkehr nimmt ab und wir fühlen uns wieder freier. Die Kurven nehmen zu und das Wetter ist angenehm, sogar die Sonne lässt sich sehen und wir geniessen die Fahrt in vollen Zügen. Auch hier sind die offiziellen Nationalstrassen nicht geteert, was wir bereits in Bolivien und Paraguay festgestellt haben. Wir fahren zum Teil durch Dschungelgebiet über Stock und Stein. Es kommt uns vor, als ob jeden Moment eine Raubkatze aus dem Busch springen könnte. Konzentration ist angesagt und es macht mega viel Spass. Wir fahren ca. 100 km über Schotter, Lehm, Brücken, wo das Geländer nur noch zur Hälfte steht und begegnen fast keinem Auto. Da im September hier ein Zyklon sein Unwesen getrieben hat, sieht man noch die einzelnen Verwüstungen in der Natur. Das Wasser steht den Kühen und Pferden bis zu den Knöcheln und die Folgen von El Niño spüren wir vor allem durch den kühlen Wind und den Regen. Wir finden heraus, dass es in Brasilien gar nicht so einfach ist zu campen. Hier kennen sie den Campingplatz mit Zelt etwas anders. Die meisten Overlander sind mit ihren Motorhomes unterwegs und benötigen lediglich einen Parkplatz mit Strom. Nun ist es so, dass es hier Unterkünfte (Pensionen) gibt, welche sie "Pousadas" nennen. Zum Teil bieten die Pousadas auch die Möglichkeit zum Campen an. Also halten wir nach den Pousadas ausschau. Brasilien ist sehr weitläufig und nicht so erschlossen, wie wir es z.B. in Europa kennen. Viele Gebiete sind noch unerforscht und wild.



Am 1.12.23 kommen wir in Urubici an. Wir steuern den Camping do Motochilero an. Hier lebt Alfredo Souza, Motorradreisender, mit seiner Partnerin Ellys und Sohn Alejandro. Duglas und Cris sind die Männer für alle Fälle. Der Camping liegt etwas erhöht auf ca. 1000 M.ü.M. Und wir haben eine Wiese mit Aussicht auf den Dschungel, eine Gemeinschaftsküche und tolle Gesellschaft!
Urubici im Hintergrund

camping do Motochileiro




Riesenschaukel
mit Blick aufs Tal
Alte VW Käfer
dienen als Blumentöpfe

Stefan & Cris






In Brasilien ...

... Ist Fussball ein Muss!

Neue Kette für Barana

Stefans neue Freundin

Stromausfall
Wir bleiben eine Woche auf dem Camping, es regnet jeden Tag in strömen und ist kalt. Beim Stromausfall gibt es Kerzen für die Romantik und wir warten einen ganzen Tag bis wir wieder am Netz angeschlossen sind. Zwischendurch wird das eine oder andere Tor geschossen. Wir fühlen uns wie Kinder! Doch wenn der Ball ins Gebüsch fällt, lässt uns Duglas diesen nicht holen. Da wohnt nämlich eine Klapperschlange uuuugggghhh.
Morro do Campreste
Parque Mondo Novo
Das Fussballteam!
So, nachdem der Regen etwas nachgelassen hat, traue auch ich mich wieder mal raus aus den vier Wänden. Zur Sicherheit ziehen wir uns die Regenklamotten gleich an und machen uns auf die Suche nach den zwei schönen Streckenabschnitten Serra do Corvo Branco und Serra do Rio do Rastro. Wir freuen uns endlich diese kurvigen Strassen mit den bekannten 180 Grad Haarnadelkurven, Pässen und der einzigartigen Natur zu erleben... los gehts!
Nix Aussicht
Die Wolken hängen tief...

So sollte es Ausschauen
Wandtapete beim Bäcker ;-)
Wir lassen uns die Laune nicht verderben
Auf unserer Tour erleben wir, wie ein Lastwagen - welcher für diese engen Kurven eindeutig zu lang ist, im Schlamm stecken bleibt. Seine Fracht sind zwei riesige Generatoren, welche etwas wackelig auf dem Laster festgemacht sind. Die Räder drehen durch und der Matsch fliegt durch die Luft. Die LKW Fahrerin versucht in ihren Flipflops durch den Schlamm zu waten. Stefan steigt vom Motorrad ab und hilft ihr. Hinter uns bildet sich eine Warteschlange mit Autos. Als sie die erste 180 Grad Kurve geschafft hat, kommt gleich die Nächste. Das gleiche Spiel geht von vorne los. Vorwärtsgang, Rückwärtsgang, Reifen drehen durch, Schlamm fliegt durch die Luft.... hmmm das wird ja lustig. So kommen wir nicht weit. In der nächsten Kurve überholen wir sie. Cris meinte noch, die Strassen seien so schön mit dem Motorrad zu fahren, da fliegst du einfach durch. Ja, da hat er wohl recht, für uns war es jedoch eher ein Blindflug durch die Wolken. Nun ja, von der schönen Landschaft haben wir nicht viel gesehen. Wir haben sie jedoch gespürt - die Nässe, die Kälte, den Wind... doch haben wir uns die Laune nicht verderben lassen, denn da kam auf einmal ein feines Düftchen hergeflogen... da ist ein Bäcker und es riecht nach frischgebackenen Süssigkeiten. Also wärmen wir uns auf und probieren diese Köstlichkeiten aus. Abenteuer halt mal anders.
Alfredos Gefärt - coole Sache!
Brasileiros auf dem Camping
In der Zwischenzeit ist auch Alfredo Souza von seiner zweimonatigen Motorradtour nach Hause gekommen. Ellys ist überglücklich und fällt ihm um den Hals. Alfredo hilft uns noch einen Vorderreifen und eine neue Kette für Barana zu organisieren. Und da uns die brasilianischen Bankomaten kein Geld geben wollen - wir haben gefühlte 100 Automaten ausprobiert, mit drei verschiedenen Karten - haben wir ihm seine Ersatzteilbestellung mit unserer Kreditkarte bezahlt und er gab uns noch ein bisschen Bargeld mit. Coole Sache, danke Alfredo! Trotz Kack Wetter hatten wir hier eine wunderschöne Zeit und tolle Bekanntschaften gemacht. Der Abschied viel uns schwer und wir bekamen noch von Ellis einen Olivenzweig als Glücksbringer mit. Muito obrigado por tudo!
Am 9.12.23 geht unsere Reise weiter Richtung Porto Alegre. Wir fahren auf Schotterstrassen durch den Dschungel. Der heutige Tag findet keinen Asphalt, oder nur Bröckchenweise.


Auf einmal hält Stefan an... hier geht es nicht mehr weiter, da ist Wasser. Wir sehen einen kleinen Damm. Die Strasse führt direkt ins Wasser und auf der anderen Seite des Flusses wieder raus. Wie tief das wohl ist? Stefan macht eine Erkundungstour. Er stapft durchs Wasser bis ans andere Ende. Schon wieder nasse Füsse.... oh je. Aber zum Glück stellen wir fest, dass das Wasser nicht höher als zu den Waden reicht und der Strom ist schwach. Die Strasse ist links und rechts markiert, sollte funktionieren.

Strassenmarkierung mit Fähnchen

Testlauf zu Fuss

Schuhe abtropfen
NAch Uns dieser LKW

Schuhe Abtropfen zum Zweiten

YES GEschafft!

Und das Video dazu folgt! Wir müssen erst noch den Film produzieren. Aber auf Instagram @rocknride_ontour haben wir eine Überfahrt für euch festgehalten! Mächtig stolz auf uns, und ohne zu wissen was in den kommenden Tagen für eine grosse Herausforderung auf uns wartet, steigen wir auf unsere Stahlpferde und hoppeln davon.
Tatsächlich finden wir mitten im Nirgendwo einen kleinen Camping, fahren aber dran vorbei. Es ist noch nicht so spät und wir entscheiden uns dafür eine Stunde weiterzufahren. Doch manchmal gehen die Pläne einfach nicht auf. Stefans Toolbox mit dem Werkzeug will nicht mehr weiter... die Befestigung bricht. Also wird sie abgeschraubt und im Gepäck verstaut. Wir entscheiden uns, dass wir zum Camping, den wir gesehen haben, zurückfahren. Ein kleines, hübsches Fleckchen Land und ein nettes Gastgeberpaar erwartet uns. Luis-Carlos ist Gaucho und zeigt uns sein Land. Und man stelle sich vor, er hat einen Billiardtisch! Wie cool ist das! Natürlich spielen wir nach Zeltaufbau und Magen füllen einige Runden Billiard. Ich nenne mich seither nur noch "Billiard-Queen" hehehe.
Es ist bereits der 10.12.23 und wir fragen uns, was wir uns für Weihnachten vorstellen. Welche wünsche haben wir? Hmm wäre doch schön, irgendwo auf dem Land, mit lieben Menschen zu feiern. Wir schicken mal den Wunsch ans Universum ab. Heute umfahren wir Porto Alegre mit seinen riesigen Brücken und mächtigen Flüssen. Wir geben Gas, denn die Strecke ist nicht gerade prickelnd. Wir möchten so schnell wie möglich von der Grossstadt und dem Verkehr weg. Nach 400 km erwischt uns wieder der Regen. Unter einer Brücke montieren wir unsere Regenklamotten und fahren noch das letzte Stück bis zum Camping, direkt am Atlantik. Nun sind wir in der Region Rio Grande do Sul, dem südlichsten Zipfel Brasiliens angekommen. Das kleine Städtchen Cassino ist nicht gerade prickelnd doch für eine Nacht völlig ok. Doch macht man einen Plan, sollte man noch einen zweiten haben. Die Wanda zickt ein wenig und wir bemerken, dass der Auspuff gerissen ist. Ok, diesem Problem werden wir uns morgen widmen, und entscheiden zwei Nächte zu bleiben. Auf dem Camping treffen wir einen jungen Motorradfahrer aus Sao Paolo. Cicero möchte morgen den weltlängsten Strand von 240 km abfahren, von Cassino bis nach Chuy, was die Grenzstadt zwischen Brasilien und Uruguay ist. Anscheinend, ist dieser Strand mit Fahrzeugen befahrbar. Wir bekommen eine neue Idee...
Die Sonne weckt uns morgens um sieben Uhr und es wird heiss im Zelt. Aufstehen, Frühstücken und danach gibt es mal einen ausgiebigen Spaziergang am Strand bevor wir uns dem Auspuff von Wanda widmen. Wir haben schliesslich, seit unserem Start in Valparaiso, Südamerika einmal durchquert - vom Pazifik bis zum Atlantik! Das wird gefeiert!
Am Strand finden wir auf einmal viele Tote Krebse, Fische und Bootsteile. Darunter auch ein Funkgerät, einen einzelnen Gummistiefel und Handschuhe... wir fragen uns noch, was hier wohl passiert ist. Ob da ein Boot untergegangen ist?
Auf dem Rückweg zum Camping laufen wir an einer Motorradwerkstatt vorbei. Ein Blick genügt. Die Werkstatt scheint sehr aufgeräumt zu sein, der Mechaniker, ein sympathischer, junger Mann läuft uns mit einem Lachen entgegen und fragt, ob wir Hilfe benötigen. Ja klar, wir haben einen gebrochenen Auspuff. Er meint, wir sollen um zwei Uhr vorbeikommen, er könne diesen schweissen. Mit einem guten Gefühl laufen wir weiter und bemerken, dass unser Camping genau ums Eck liegt. Na wunderbar, besser könnte es nicht laufen. Also essen wir einen Happen und Stefan baut den Auspuff ab. Wir laufen mit der Toolbox, welche uns einen Tag zuvor abgefallen ist und dem Auspuff zur Werkstatt. Exequiel wartet bereits auf uns und ist startklar. Im kleinen Hinterhof schweisst er den Auspuff zusammen. Und als Stefan ihm das Problem mit der Toolbox-Halterung erklärt, werden die Jungs kreativ. Mit einem Grinsen, von einem Ohr bis zum anderen, fangen die Beiden an die Tonne mit dem Altmetall zu durchzuwühlen. Sie werden fündig, war ja klar.... eine ausgediente Motorradkette soll nun als neue Halterung dienen. Eine wahre Freude, den Jungs beim Werkeln zuzuschauen. Die Konversation findet auf portugiesisch, spanisch, englisch und mit Händen und Füssen statt. Eine wahre Freude! Wir verlassen die Werkstatt mit 5 US Dollar weniger und einem Nachmittag, den wir nie wieder vergessen werden! Danke an Exequiel Motos in Cassino!

Wanda
mit gebrochenem Flügel

Schweissen
Die Jungs haben Freude

Exequiel Motos
Obrigado!
Am Abend sind wir verwundert, dass wir Cicero wieder auf dem Camping treffen. Er hat die Strandfahrt gemeistert, jedoch erzählt er uns, dass ein Fischerboot vor ein bis zwei Tagen gesunken sei. Er hätte einen Toten Mann am Strand gefunden und war bei der Polizei. Die meinte, dass sie bis jetzt zwei Fischer gerettet hätten doch vier seien noch vermisst. Uns überkam ein mulmiges Gefühl. Wir hatten diese Morgen leider Recht behalten mit unserer Vermutung. Sollen wir die Strecke nun morgen auf der Sandpiste fahren oder nicht? Cicero meint, es sei ein Abenteuer und die Piste sei hart und gut befahrbar. Er erzählt jedoch auch von einer Strecke mit Muschelbänken, wo das Motorrad dann etwas einsinken könnte. Hmmm was tun, unsere Motorräder sind ja doch ein wenig schwerer. Beladen haben wir jeweils ca. 250 - 300 kg. Wir schlafen eine Nacht darüber. Doch am nächsten Morgen sind wir gleich weit. Wir können uns nicht entscheiden. Unser Deal von Anfang an war, dass wir nur eine Route fahren, wenn auch beide damit einverstanden sind und wir ein gutes Gefühl dabei haben. Die Motorräder sind bepackt und wir sind immer noch hin- und hergerissen. Was tun? Abenteuer oder langweilige Strasse? Da kommt der Chef vom Camping, er kennt sich mit Wind aus und ist Segler. Er meint, dass wenn wir fahren, dies heute noch tun müssen. Sobald der Wind von Süden kommt, wird es schwierig und die Flut setzt ein. Also haben wir gerade erfahren, dass wir nur bei Nord und Nordost Wind fahren sollen. OK... diese Strecke ist also nicht zu unterschätzen. Wir entscheiden uns gemeinsam, dass wir es versuchen. Wir haben mit dem Camping ausgemacht, dass wenn wir uns bis spätestens 17 Uhr nicht melden, er losfährt um uns zu holen.
Die ersten Meter fahren wir etwas zaghaft, bis wir merken, dass die Piste hält und wir locker zwischen 50 bis 80 km/h fahren können. Zwischendurch gibt es kleiner Flussmündungen ins Meer, welche wir locker durchfahren. Wir werden zwar nass, aber das Wasser ist nicht tief. Ein komisches Gefühl hier durchzufahren, wo wir doch erst gestern die Wrackteile vom Fischerboot fanden. Irgendwie überkommt uns ein mulmiges Gefühl, denn wir entdecken tote Delphine, Robben und Riesen Meeresschildkröten am Strand. Alle Tiere sind tot. Wir fahren weiter und dieses Szenario nimmt kein Ende. Das Meer zu unserer linken Seite ist braun und die Gischt spült die braune Brühe an den Sandstrand. Meer und Sand haben fast die gleiche Farbe. Links von uns erstrecken sich Sanddünen und dahinter eine grosse Lagune. Das Meer riecht nicht nach Meer... es stinkt und der Geruch, der sich in der Nase breit macht ist unangenehm, faulig, salzig und die Magenwände ziehen sich zusammen. Einerseits ist die Landschaft faszinierend, neu und gleichzeitig fühlt sie sich bedrohlich an. Unser Gefühl ist durchmischt und wir wissen nicht wohin damit. Nun, da wir jetzt hier sind machen wir das Beste daraus. Wir motivieren uns gegenseitig und picken uns das Positive raus - die Piste ist mit unseren Maschinen super befahrbar! Bis Stefan nach 100 km anhält und bemerkt, das er einen Platten im Vorderreifen hat. Er pumpt den Reifen auf, in der Hoffnung, dass es ein Schleichplatten ist. Ich bete und in meinem Kopf gehe ich alle Möglichkeiten durch. Wir sind in der Hälfte der Strecke. Sollen wir zurückfahren oder fahren wir weiter? Eins ist sicher, wir benötigen jetzt sicher noch zwei Stunden. Stefan bestätigt, dass es ein Schleichplatten ist. OK, wir fahren weiter. Nach weiteren 50 km bemerken wir, wie die harte Piste immer weicher wird. Wir werden langsamer, unsere Motorräder fangen an im Sand zu versinken. Der Angstgegner "Sand"! Ich bemerke wie Wanda ins Schleudern kommt und falle um. Nun gut, es ist zum Glück weicher Sand. Doch danach geht es nur einige Meter bis ich wieder Falle. Stefan eilt zur Hilfe, denn ich bekomme Wanda nicht selber hoch. Jedoch muss er Barana im Sand eingraben, da sie sonst umfällt, der Sand hält den Seitenständer und somit das Gewicht des Motorrades nicht aus. Ein Motorrad aufgestellt, das nächste ausgraben. Dieses Szenario wiederholt sich etliche Male. Wir fallen beide, graben uns bis zur Hinterachse im Sand ein. Versuchen die Motorräder wieder rauszuziehen. Unsere Kraft und Energie lässt nach. Nach einer Stunde haben wir etwa 100 Meter geschafft, mit dem Wissen, dass noch 50 km vor uns liegen. Das Meer wird etwas wilder, die Landschaft ist öde, die Muschelbänke nehmen zu und wir finden es nicht mehr lustig. Wir müssen uns fokussieren um klar denken zu können. Welchen Schritt machen wir als Nächsten. Wir entscheiden uns, ganz Nahe am Meer zu fahren, denn da ist der Sand hart. OK, klingt nach einem guten Plan. Stefan voraus ich hinterher. Zwischendurch erwischen wir weichen Sand, die Hinterräder kommen ins wanken, wir können jedoch ausgleichen, indem wir Gas geben. Gleichzeitig müssen wir dem Meer ausweichen, wenn die Wellen kommen. Was für ein Unterfangen.
Konzentration ist angesagt. Tief Atmen. Ich fahre auf weichen Sand, falle, eine Welle begräbt mich und Wanda unter sich! Ich liege von oben bis unten nass, wie ein gestrandeter Wal am Strand. Vom Sand von oben bis unten paniert würde ich jetzt am Liebsten losheulen. Stefan eilt zu Hilfe. Ich habe die Schnauze endgültig voll. Der Wurf hat mich aus dem Konzept gebracht. Ich möchte nicht mehr weiter. Was machen wir jetzt! Entweder packen wir die Motorräder ab und bringen das Gepäck und die Motorräder einzeln zu den Dünen oder wir fahren weiter. Hier stehen bleiben ist keine Option, wegen der Flut. Ok, wir entscheiden uns für die Weiterfahrt im Schneckentempo. Wenigstens ist das Wetter gut und irgendwie sind die Wellen auf einmal besser gesinnt. Es läuft gut und wir steigern das Tempo von 30 km/h auf 50 km/h. Was um Gottes Willen ist das? Wir können den Blick nicht mehr abwenden. Am Strand liegt ein Riesencalmar! Er ist geschätzt etwa 10 Meter lang und 2,5 - 3 Meter hoch! Wir bleiben stehen und trauen unseren Augen nicht. Uns stock der Atem...
Der Riesencalmar lenkt unsere Gedanken in eine andere Richtung. Wir sind überwältigt, fasziniert und irgendwie ist es tragisch. Das Fahren fühlt sich mittlerweile meditativ an. Wir haben die Situation akzeptiert. Und irgendwie wollen wir auch aus diesem Zustand nicht mehr raus, er hält uns in Balance. Endlich sehen wir Atlantis! Wir atmen auf. Ja, wir haben es geschafft! Vor uns eine Pousada, ich halte an und fahre keinen Meter mehr weiter. Koste es was es wolle. Es reicht für heute! Unsere Körper sind lädiert und mental war es eine riesige Herausforderung. Es war eindeutig eine Grenzerfahrung. Morgen fahren wir über die Grenze nach Uruguay, doch für heute haben wir uns die Nacht im Bett verdient. Die Anspannung fällt langsam von uns ab und wir versuchen den heutigen Tag zu verdauen.

Der letzte Tag in Brasilien hat viel von uns gefordert. Brasilien ist wild, rauh und abenteuerlich. Alles ist viel grösser, die Tiere, das Land und die Herzlichkeit der Menschen ebenso. Danke für diese Erfahrungen! Doch in der Zwischenzeit verabschieden wir uns von Brasilien. Wir kommen nächstes Jahr zurück, dann geht es in den Norden! Die Reise geht nun weiter nach Uruguay.