Wir fahren über die Fernstrasse - Ruta Nacional 3 - welche bei Buenos Aires anfängt und in Ushuaia endet. Die Strasse erstreckt sich in südlicher Richtung durch den ganzen Osten von Patagonien. Sie beginnt in Buenos Aires und führt von dort aus über 3045 Kilometer in südlicher Richtung über Bahía Blanca, Trelew, Camarones, Comodoro Rivadavia, Río Gallegos und Río Grande nach Ushuaia, der südlichsten Stadt der Welt auf Tierra del Fuego. Hier folgt unser Erfahrungsbericht Patagonien Teil 1. In Teil 2 fahren wir dann der Pazifikküste entlang nordwärts.
Wir fahren am 2. Januar 2024 über die Grenze von Uruguay nach Argentinien. Heute Morgen wurden wir von Moskitos belagert. Da es so schön warm war, haben wir die letzte Nacht in Uruguay genossen und nur das Innenzelt aufgestellt. Am Morgen lauerten Tausende von Moskitos auf dem Zelt und schauten uns bereits blutrünstig an. Sie konnten es kaum erwarten, bis wir aus dem Zelt kamen damit sie ihre Stacheln in unsere Haut bohren konnten. Also packen wir als erstes das Moskitospray aus, reiben uns von Kopf bis Fuss ein und ziehen alles an, was wir im Zelt finden können. Gut ausgestattet, so glauben wir es jedenfalls, steigen wir mutig aus der sicheren Zone und stellen uns der Moskito-Artillerie. Bestialisch und unbarmherzig stürzen sich die Blutsauger auf uns. Schnell in die Motorradklamotten reinschlüpfen. Und nicht genug, sie fliegen uns ins Gesicht und greifen unsere Hände an. Verschwitzt und bald schon ohne Nerven ziehen wir Helm und Motorradhandschuhe an. Endlich Ruhe! Die Sonne brennt runter, zum Glück haben wir ein Schattenplätzchen, doch der Schweiss rinnt bereits... lieber Schweiss als Moskitostiche. Die Übeltäter hängen nun am Visier, keine Chance hahaha! Wir verzichten auf das Frühstück und packen in Vollmontur unser Zelt zusammen. Wir kommen uns wie Astronauten vor. So schnell waren wir noch nie!
Wir verlassen Uruguay über Fray Bentos und steuern südwärts die Ruta 3 an, welche in der Provinz Buenos Aires startet. Auf dem Weg treffen wir zufällig auf Werner und wir reisen ein Stück gemeinsam.
MotoHostel Suipache

Unterwegs mit Werner

Las GRutas
und weg ist der Williman, cu soon!
Es liegen etwas mehr als 3000 km vor uns bis nach Ushuaia, wo die Ruta 3 endet. Wir fahren durch Ost-Patagonien über Trelew zu "Butch Cassidy" - dem Gesetzlosen, nach Camarones zu den Magellan-Pinguinen und treffen alte Bekannte wieder. In Puerto San Julian gesellt sich Bruno zu uns, und in Río Gallegos nehmen wir Abschied von Freunden und machen die ersten Erfahrungen mit dem uns angedrohten, mächtigen patagonischen Wind. In Rio Grande erholen wir uns von einer Monsterstrecke im Motorcycle Hostal und auf dem Weg nach Ushuaia, der südlichsten Stadt der Welt, ist die Sonne mit uns wohlgesinnt sowie der Wind auch! Und so beginnt die Story von Patagonien ...
Hotel Touring Club, Trelew
Ein Ort voller Geschichte
Hotel mit Geschichte
La TRochita "die kleine Spur"
750 mm Schmalspurbahn in Patagonien
Das Hotel Touring Club verfügt über eine lange Geschichte und ist ein besonders Ort. Man fühlt sich hier um mindestens ein Jahrhundert zurückversetzt. Sobald man die Türschwelle betritt hört man aus dem Restaurant einen argentinischen Tango, der durch Mark und Bein geht. Sofort ist man verzaubert und möchte mehr sehen. Ein Ort voller Magie. Im Hinterhof finden wir das Zimmer, in welchem Butch Cassady mit seiner wilden Horde Unterschlupf fand. Er war der Robin Hood des Wilden Westens - so sagt man, ein Gesetzloser und Revolverheld. Anfangs war er Viehzüchter und setzte sich für die kleinen Farmer ein, die von den grösseren aus dem Geschäft gedrängt wurden. Er avancierte später zum Bank- und Eisenbahnräuber und wurde in ganz USA und Südamerika gejagt. In Utha kam er als ältestes von 13 Kindern 1866 zur Welt und wurde in Bolivien 1908 erschossen, doch Historiker konnten dies nie beweisen. Sogar der Schriftsteller Antoine de Saint Exupéry (Autor "Der kleine Prinz") besuchte das Hotel regelmässig in den 1930er Jahren. Des Hotel ist voller Charme und etwas verstaubt ;-), und man fühlt sich irgendwie wie im Film, was gar nicht so verkehrt ist, denn dieser Ort war auch Kulisse und Filmdrehort eines argentinischen Movies.
BuTch Cassadys Zimmer
Butch Cassidy 1866 - 1908
Robin Hood des Wilden Westens
Butch CassidYs Wilder Haufen
Na da schaukle ich doch noch ein letztes Mal im Garten vom Touring Club Hotel in Trelew, bevor wir einen kleinen Schwenker auf die Ruta 1 machen. Es ist eine ca. 200 km lange Schotterpiste am Meer entlang, welche sich bis nach Cabo Raso und weiter nach Camarones erstreckt. Hier landen wir eigentlich ganz zufällig. Unser Plan war anfänglich auf der Isla Valdés Pinguine zu beobachten. Doch leider wurden wir nicht reingelassen, da wir keine Reservation für den dort ansässigen Camping hatten, welcher anscheinend ausgebucht war. Unser Glück! Denn Camarones hat uns völlig in den Bann gezogen. Ein verschlafenes kleines und authentisches Fischerdörfchen, wo noch der erste über 100jährige Gemischtwarenhandel steht und wo die Vorfahren des damaligen argentinischen Präsidenten Juan Perón gelebt haben.

Heute ist Unser 100ster ReiseTag - Kurzer Stopp in Cabo Raso - auf der Ruta 1
Ein kleines verschlafenes Nest mit zwei Einwohnern



Weiterfahrt nach Camarones


Gemischtwarenhandel
der erste Laden in Camarones
Weichkäse!
Wir finden tatsächlich einen grandiosen Weichkäse - endlich!
NAch erfolgreichem Einkauf Ein Bier!
mit Produkten, die wir lange nicht mehr hatten!
Heute besuchen wir das Museum, wo das Haus der Familie Perón nachgestellt wurde und erfahren etwas mehr über die Geschichte der berühmten Perón Familie. Ju´an Perón war drei Mal verheiratet und u.a. mit der berühmten Evita Perón (Schauspielerin). Sein Vater stammt aus Italien (Sardinien), seine Mutter war Spanierin (aus Kastillien) und er war der Neffe des damals bekanntesten argentinischen Arztes Tomás L. Perón. Juan Perón war drei Mal Präsident von Argentinien. Das erst mal wurde er 1946 gewählt, dann folgte eine Wiederwahl 1951 , wobei sich Evita Perón für die Frauen einsetzte, welche das erste Mal in der Geschichte Argentiniens mit wählen durften. 1955 wurde der Präsident gestürzt, ins Gefängnis gesteckt und durch eine gewaltige Demonstration seiner Anhänger wieder freigelassen "Revolución Libertadora". 1973 wurde er das letzte Mal ins Amt gewählt. Perón kam aus der Arbeiterpartei und setzte seine Sozialpolitik ein, welche die Rechte der Arbeiterklasse stärkte. Nach seinem Tod wurde seine dritte Frau Isabel Martinez de Perón erste Südamerikanische Staatspräsidentin, doch auch sie wurde 1976 durch einen erneuten Militärputsch gestürzt.
Juan Perón
Juan & Evita Perón
Revolución Libertadora
Ganz überraschend bekommen wir besuch von Manne und Walter. Zwei altbekannte Gesichter und zwei tolle Typen, mit welchen wir bereits in Nordargentinien gereist und gemeinsam bis zur Salar Uyuni nach Bolivien gefahren sind. Wir freuen uns schon riesig und warten am Strand auf sie, wo wir uns durch die erhitzten Steine wärmen.

Jakobsmuschel gefunden



Telefonzelle?
E.T. nach Hause telefonieren ;-)

Wiedersehen mit Manne und Walter
Das muss gefeiert werden!
30 km von Camarones entfernt in "Cabo dos Bahías" lebt eine Pinguinkolonie. Endlich! Ab zu den Magellan-Pinguinen! Wir fahren bis ans Ende der Ruta 1 und erforschen die Bucht. Wir sind fasziniert von dem was wir vorfinden! NATUR PUR!







Seelöwen
Den Pack ich in meine Kapuze ;-)

Wir sind geflashed von diesem Tag
Was für ein bezauberndes Naturschauspiel!
Dieses Naturschutzgebiet hat uns fasziniert. Wild, naturbelassen und einfach fantastisch! Uns fehlen die Worte. Dies muss gefeiert werden. Wir beschliessen am Abend ein Assado zu machen. Das heisst auf Deutsch, heute wird grilliert. In Argentinien wird pro Person 500 gr. Fleisch verspeist. Der Metzger verkauft uns nicht weniger. Heute wird diskutiert, ob Manne und Walter mit nach Ushuaia fahren. Sie entscheiden sich, uns ein Stück südwärts zu begleiten. Und ab geht es auf der Ruta 3 über Caleta Oliva bis nach Puerto San Julían, wo wir an einer Tankstelle Bruno treffen. Er ist aus Luzern und ebenfalls auf dem Weg nach Ushuaia. Also vergrössern wir ganz spontan unseren Konvoi! Cool!


Wir fahren zu fünft weiter Richtung Puerto San Julian und spüren schon langsam, dass die Windstärken zunehmen. Bei diesem Zwischenstopp erkunden wir gemeinsam das Städtchen.
16.1.24 Ab nach Rio Gallegos. Auf dieser Strecke erfahren wir das erste Mal, was es heisst im Patagonischen Wind zu fahren. Der Wind bläst uns ganz schön um die Ohren und die Motorräder werden in Schräglage manövriert. Es fühlt sich an als ob wir im 45 Grad Winkel fahren. Seitenwind von 40 - 60 km/h mit Windböhen. Die Hals und Nackenmuskeln fangen an zu schmerzen und der Kampf gegen den Wind verlangt viel Energie von uns. In Rio Gallegos angekommen, entscheiden sich Manne und Walter uns zu verlassen. Sie fahren ostwärts an die Pazifikküste nach El Calafate. Stefan, Bruno und ich reisen weiter nach Rio Grande. Die Windböhen machen uns zu schaffen, hinzu kommt Regen und Kälte. Wir packen uns ein und fühlen uns wie Michellin-Männlein. Zwei Grenzübertritte warten auf uns an diesem Tag. Die Warteschlangen am Grenzübergang von Argentinien nach Chile sind lange und fordern Geduld. Erster Grenzübertritt ist geschafft. Weiter geht es zum Nächsten, von Chile wieder rein nach Argentinien. Hier winden wir unsere Handschuhe und Socken aus... wir sind klatschnass und quetschen uns an die Radiatoren. Nach dem Bürokram geht es wieder ab in den nassen Helm, die feuchtkalten Handschuhe und die überfluteten Stiefel. Nichts ist mehr trocken. Die Strecke nimmt kein Ende. Wir frieren und zählen die Kilometer nach Rio Grande und der Regen wird stärker. Endlich sehen wir das Schild "Motorcycle Hostel", noch drei Minuten! Was für ein toller Ort! Das Garagentor steht bereits weit offen und wir rollen zu dritt rein. Von allen Seiten werden wir begrüsst und uns wird sogleich warmer Kaffee und ein Platz am heissen Ofen angeboten. Das tut gut!


Da hängt doch jemand in den Seilen!?
Such Stefan ;-)

Dieses Auto hat über 1700 Sticker!
Titos Gefährt

Mit Miguel dem Dueño & Tito

Tito, Stefan, Bruno, Simona

Juan José DegRatti
Er fuhr als 1ster die Ruta 40
Juan José Degratti fuhr 1960 in Ushuaia los. Der damals 23 Jährige Argentinier wusste nicht, dass er Geschichte schreiben würde. Er war nämlich der Erste, der von Ushuaia mit dem Motorrad nach Alaska fuhr. Und damals ohne die Infrastruktur, die wir heute haben! Man stelle sich das vor. Kein Asphalt, nur Schotterpisten, kein Handy, kein Internet, kein GPS. Er war 2 Jahre und 8 Monate unterwegs und legte 28'800 km zurück. Hut ab!


Zertifikat
und wir bekamen eine Urkunde, dass wir es bis Feuerland geschafft haben. Kommt jetzt Alaska?

Hostel-Hund
die zwei haben den selben Blick

Reise-Hund
Der sich sichtlich am Motorradfahren erfreute
Der Wecker klingelt. Es ist 6 Uhr früh. Hier im Süden fährt man morgens, denn ab 12 Uhr mittags peitscht der Wind so stark über das Land, da möchte man sich nicht auf der Strasse befinden. Die Windstärken und Böen könnten dich glatt nach Buenos Aires katapultieren. Jedenfalls erfreuen wir uns am nächsten Tag tatsächlich an trockenen Socken! So einfach kann das Leben sein ;-). Heute ist ein guter Fahrtag, denn nach der Windy App zu urteilen haben wir so gut wie keinen Wind, für patagonische Verhältnisse. Wir fahren los und sogar die Sonne meint es gut mit uns. Wie herrlich, es gibt tatsächlich milde Tage hier!
212 km liegen vor uns
Wir haben praktisch keinen Wind :-)
Paso Garibaldi
Aussicht vom Paso Garibaldi
Und endlich treffen wir in Ushuaia ein! Wir sind am Ende der Welt angekommen - El fin del Mundo! Am 2.10.2023 startete unsere Reise in Valparaiso (Chile) u nd heute am 17.1.2024 sind wir auf Feuerland, in Ushuaia!
Wir haben eine Nacht in Ushuaia eingeplant, da der Wind die Tage danach sehr stark ist. Doch macht man einen Plan, kann sich das ganz schnell ändern. Wir wollten uns noch etwas Ushuaia anschauen, bevor wir am nächsten Morgen wieder nach Rio Grande zurückfahren. Doch kurz nach Einfahrt in Ushuaia höre ich ein lautes knacken und knattern. Es scheppert ganz schön heftig. Zuerst denke ich, es ist der Lastwagen, der neben mir fährt. Doch als der Weg ist, bemerke ich, dass es Wanda ist! Oh Schreck! Blinker stellen und rechts rausfahren. Da stimmt was gewaltig nicht, denke ich mir. Die Weiterfahrt ist erstmal unterbrochen. Unsere lieben Gastgeber in Ushuaia kommen uns zugleich mit einem Anhänger zu Hilfe und wir schleppen Wanda ab. Stefan brütet nun über dem Problem...



Und wie erwartet hat er das Problem entdeckt und gelöst! Super Mc Gyver hat wieder zugeschlagen, YES! Die Kette war bereits so ausgelaugt, dass sie Ritzel übersprungen hat. Und dies führte zu dem lauten knacken. Neue Kette und Wanda ist wieder fahrtüchtig. Doch da der Nachmittag für die Problembehebung drauf ging, verlängern wir spontan um eine Nacht und schauen uns den Nationalpark am nächsten Tag in aller Ruhe an. Und es ist wie ein Wunder. Kaum ist man in Ushuaia hört der Wind zu blasen auf. Hier ist es Windstill durch die Berge, welche die Stadt schützen.
Im Nationalpark Tierra del Fuego
Das Ende der RN 3, nach über 3000 km glücklich angekommen!


Das südlichste Postamt - Im Nationalpark





Zwei Tage später treten wir die Rückfahrt nach Rio Grande an. Die 212 km zurück kommen uns aber ewig vor, wir haben dieses mal nicht so viel Glück. Es ist früh morgens und wir starten die Motoren um 7:00 Uhr. Wir wollen bis spätestens 11 Uhr in Rio Grande ankommen, denn dann meint es der Wind nicht mehr ganz so gut. Windstärken von über 80 km/h werden erwartet. Doch bevor wir aus der Windstillen Zone fahren, statten wir Alfredo einen kurzen Besuch im Motorradmuseum, auf KM 3005 ab. Hier bekommt man nämlich den berühmt berüchtigten Stempel in den Pass. Es ist nur ein halber Stempel, die andere Hälfte bekommt man in Alaska!

Wie sich die weiterfahrt nach Rio Grande gestaltet und was wir an der Pazifikküste erleben, könnt ihr in Kürze im zweiten Teil unseres Patagonien Road Trips nachlesen. Hasta luego!